Aline MAYRISCH-DE ST. HUBERT (1874-1947)

Germaine Goetzinger

Aline Mayrisch-de St. Hubert, die Tochter eines Holzhändlers belgischer Abstammung, wurde am 22. August 1874 in Hollerich/Luxemburg geboren. Nach der höheren Töchterschule Sainte Sophie besuchte sie das Pensionat Sartorius in Bonn. 1894 heiratete sie den Hütteningenieur Emil Mayrisch, der 1911 zum Generaldirektor der ARBED avancierte, und zog mit ihm nach Düdelingen. 1905 übernahm sie den Vorsitz des neugegründeten Vereins für die Interessen der Frau, der das erste Mädchengymnasium in Luxemburg initiierte. Sie engagierte sich ebenfalls in der Wohlfahrt z.B. in der Ligue luxembourgeoise contre la tuberculose und in der Croix-Rouge luxembourgeoise und setzte sich ein für die Ausbildung von Sozialhelferinnen und die Professionalisierung der Sozialarbeit. Während des Ersten Weltkrieges richtete sie ein Kriegslazarett ein und half bei der Pflege der Verwundeten.

1920 zog das Ehepaar Mayrisch nach Schloss Colpach, das sie in der Zwischenkriegszeit zu einem deutsch-französischen Begegnungsort ausbauten. Während des Zweiten Weltkrieges lebte Aline Mayrisch in Cabris in Südfrankreich. Dort starb sie am 20. Januar 1947.

Aline Mayrisch-de St Hubert war an Kunst und Literatur interessiert und verstand sich als Mittlerin zwischen dem deutschen und dem französischen Kulturraum. Ab 1898 veröffentlichte sie in der belgischen Avantgarde-Zeitschrift L’Art moderne Berichte über deutsche Maler sowie Buchrezensionen u.a. über L’Immoraliste von André Gide. Sie war befreundet mit vielen Schriftstellern und Intellektuellen wie André Gide, Jean Schlumberger, Jacques Rivière, Henri Michaux, Marie und Théo van Rysselberghe, Marie Delcourt, Alexis Curvers, Annette Kolb, Gertrud Eysoldt, Ernst Robert Curtius, Bernhard Groethuysen, mit denen sie umfangreiche Korrespondenzen unterhielt. 1914 begleitete sie André Gide und Henri Ghéon in die Türkei, und zusammen mit Ernst Robert Curtius bereiste sie 1927 die Gironde und den Limousin. In Colpach arrangierte sie deutsch-französische Begegnungen z.B. zwischen Gide und Walter Rathenau oder Gide und Ernst Robert Curtius. Auch machte sie Gide mit den Texten von Rainer Maria Rilke bekannt und trug durch ihren Rilke-Artikel in der Nouvelle Revue Française zur Rilke-Rezeption in Frankreich bei. In dieser Zeitschrift erschienen ebenfalls ihre Artikel über die geistige Situation Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg und der autobiografische Reisebericht Paysages de la trentième année, der ausgehend von den Insellandschaften Korsikas und Islands die Konfrontation mit der Leere, der Absurdität und dem Nichts thematisiert. In den 30er Jahren unterstützte sie die von Thomas Mann herausgegebene Exilzeitschrift Maß und Wert finanziell. Daneben übersetzte sie gemeinsam mit Marie Delcourt und Bernhard Groethuysen die Predigten des spätmittelalterlichen Mystikers Meister Eckhart sowie von Jean Schlumberger L’enfant qui s’accuse / Ein Kind klagt sich an und von Albert Camus Le mythe de Sisyphe. Essai sur l’absurde / Die Mythe des Sisyphus. Erörterung über das Sinnlose, die beide unveröffentlicht blieben.

Aline Mayrisch-de St. Hubert gewidmet sind die Bücher: Das literarische Frankreich von heute von Frantz Clément, Les Cahiers de la Petite Dame von Marie van Rysselberghe und La vie d’Euripide von Marie Delcourt.